Die Schutzpflicht des Arbeitgebers nach § 618 Abs. 1 BGB wird für Arbeitsräume durch die ArbStättV konkretisiert. Detailliertere Vorgaben enthielten bis zum 31.12.2012 die Arbeitsstätten-Richtlinien (ASR), die seitdem durch „Technische Regeln für Arbeitsstätten“ (ebenfalls ASR genannt) ersetzt worden sind. Diese werden vom Ausschuss für Arbeitsstätten ermittelt und vom BMAS bekannt gemacht (§ 7 Abschnitt V). Sie sind vom Arbeitgeber gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbStättV zu berücksichtigen. Hält der Arbeitgeber die Regeln ein, kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die Anforderungen der ArbStättV als auch die Pflicht nach § 618 BGB erfüllt sind (HWK-Krause, § 618 BGB, Rz. 15). Was gilt nun für sommerliche Hitze?
Seit dem 23.06.2010 gilt die technische Regel für Arbeitsstätten „Raumtemperatur ASR A3.5“ (GNBl. Nr. 35 vom 23.06.2010, S. 751). Diese Regeln gelten für Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-Kantinen und Erste-Hilfe-Räume, für die keine spezifischen, strengeren Anforderungen gelten. Ausgangspunkt ist der Begriff der „gesundheitlich zuträglichen Raumtemperatur“ in Ziffer 4.1 Abs. 2. Gesundheitlich zuträglich ist eine Raumtemperatur, wenn die Wärmebilanz des menschlichen Körpers (Wärmezufuhr, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe) ausgeglichen ist. Dafür kommt es im Regelfall auf die Messung der Lufttemperatur an, die bei Arbeitsplätzen für sitzende Tätigkeit in Höhe von 0,6 Metern und bei stehender Tätigkeit in Höhe von 1,1 Metern über dem Fußboden gemessen wird, ohne Einwirkung von direkter Sonneneinstrahlung (Ziffer 4.1 Abs. 6).
Ziffer 4.2. enthält in einer Tabelle Mindestwerte, Ziffer 4.3 Höchstwerte der Raumlufttemperatur. Danach soll sie 26 Grad Celsius nicht überschreiten (was der früheren Arbeitsstättenrichtlinie Ziffer 3.3. entspricht). Bei übermäßiger Sonneneinstrahlung sind Maßnahmen zu treffen. Beispielsweise sollen Fenster, Oberlichter und Glaswände eine ausreichende Tageslichtversorgung gewährleisten. Zugleich ist eine störende Blendung und Erwärmung zu vermeiden. Wenn sich die Raumtemperatur durch Sonneneinstrahlung auf über 26 Grad erhöht, sind diese Bauteile mit Sonnenschutzsystemen auszurüsten, was die ASR A3.5 Ziffer 4.3 Abs. 3 gestalterisch verdeutlicht.
Beträgt die Außenlufttemperatur mehr als 26 Grad und ist trotz geeigneter Sonnenschutzmaßnahmen die Raumlufttemperatur von 26 Grad überschritten, sollen nach Ziffer 4.4. Abs. 1 zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, wie sie in Tabelle 4 näher bezeichnet sind. Gedacht wird an die Schließung der Jalousien nach der Arbeitszeit, Nachtauskühlung, Reduzierung des Einsatzes elektrischer Geräte, Lüftung am Morgen, Gleitzeitregelung und Lockerung der Bekleidungsregelung. Schließlich ist auch an die Bereitstellung geeigneter Getränke zu denken. Kann eine Gesundheitsgefährdung wegen schwerer körperlicher Arbeit und besonderer Arbeits- bzw. Schutzbekleidung mit behinderter Wärmeabgabe eintreten oder sind einzelne Mitarbeiter besonders belastet (Jugendliche, Ältere, Schwangere, stillende Mütter), ist an eine angepasste Gefährdungsbeurteilung zu denken.
Die Schwelle von 26 Grad ist eine Sollvorschrift. Überschreitet die Lufttemperatur im Raum 30 Grad, müssen wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Beanspruchung der Beschäftigten ergriffen werden. Ziffer 4.4. Abs. 2 Satz 1 führt also zu einer Handlungspflicht des Arbeitgebers, die beim Vorliegen der dort genannten Tatbestandsmerkmale auch zu einer Verpflichtung nach § 91 BetrVG führen kann. Bei diesen Maßnahmen ist der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG zu beteiligen. Er hat wohl auch ein Initiativrecht, wie es sich sonst auch in § 91 Satz 1 bis 3 BetrVG findet.
Eine weitere Schwelle gilt bei einer Raumlufttemperatur von mehr als 35 Grad. In diesem Fall ist der Arbeitsraum ohne technische Maßnahmen (z.B. Luftdusche oder Wasserschleier) oder organisatorische Maßnahmen (Entwärmungsphasen) oder durch Pausen oder persönliche Schutzausrüstungen nicht mehr als Arbeitsraum geeignet. Es gelten dann die Arbeitsschutzregeln für die Hitzearbeit (ASR A3.5 Ziffer 4.4. Abs. 3).
Also: Kein Hitzefrei, aber Handlungspflichten des Arbeitgebers.
Ein Kommentar
Da stellt sich doch die Frage, ob dann nicht spätestens, wenn die 35 Grad erreicht sind und der Arbeitgeber den Vorgaben der Arbeitsschutzregeln für die Hitzearbeit nicht nachkommt, der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht hat bzw. der Arbeitgeber in Annahmeverzug kommt, da er keinen (den Vorgaben genügenden) Arbeitsplatz zur Verfügung stellt.
Womit wir dann doch ein (bezahltes) Hitzefrei hätten.