Das Landesarbeitsgericht Mainz hat kürzlich entschieden (Urt. v. 21.02.2013, 2 Sa 386/12), dass arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklauseln nicht jede Äußerung des Arbeitnehmers über Betriebsinterna auf sozialen Netzwerken erfassen und eine abgegebene Unterlassenserklärung den Arbeitgeber nicht dazu berechtigt, die Beseitigung eines zuvor veröffentlichen Blogs zu verlangen.
Die Beklagte war als Redakteurin bei der klagenden Herausgeberin der „E-Zeitung“ beschäftigt und hatte eine umfassende Verschwiegenheitsklausel unterzeichnet. Gleichwohl postete die Beklagte regelmäßig in der offenen Facebook-Gruppe „Keine E-Zeitung“ Beiträge über die Klägerin, z.B.: „…noch was zu den Rechnungen T.S./E-zeitung. Wenn es formell richtige Rechnungen an T.S. gab, die jedoch gar nicht beglichen wurden, dennoch aber beim Finanzamt geltend gemacht wurden, dürfte das die Steuerfahndung interessant finden…“.
Später gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab, mit der sie sich gegenüber der Klägerin verpflichtete, es künftig zu unterlassen, Betriebsinterna der Klägerin Dritten mitzuteilen oder zu verbreiten und für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen. Erst zehn Tage nach der Abgabe der Unterlassungserklärung entfernte die Beklagte den genannten Blog-Beitrag auf Aufforderung der Klägerin. Die Beklagte postete im Folgenden fleißig weiter, insb. Folgendes zu einer Diskussion über die Frage, inwiefern der Geschäftsführer der Klägerin und der geschäftsführende Gesellschafter Einfluss auf die Tätigkeit der Redakteure nehmen: „Denn in der Redaktion sitzen – außer P. D. – nur eine Handvoll GrafikerInnen und AnzeigenberaterInnen, die allesamt nix mit den Inhalten der E-zeitung zu tun haben (…)“. Dies und die verspätete Entfernung des ersten Blog-Beitrags nahm die Klägerin zum Anlass, die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe in Anspruch zu nehmen.
Das LAG wies die Klage insgesamt ab: Hinsichtlich des ersten Blog-Beitrages habe die Klägerin schon keinen Anspruch auf Entfernung aus der Facebook-Gruppe. Eine Unterlassungerklärung schließe nicht die Verpflichtung zur Beseitigung bereits bestehender Internet-Einträge mit ein. Durch die Nichtbeseitigung werde auch kein Störungszustand fortlaufend erneuert. Ob der Blog-Eintrag überhaupt einen Unterlassungsanspruch begründe, könne man dahinstehen lassen, auch wenn das Gericht hieran Zweifel äußerte. Hinsichtlich des zweiten Blog-Beitrages habe die Beklagte schon nicht die vertragliche Verschwiegenheitspflicht verletzt. Solche Verpflichtungen seien nur soweit zulässig, wie sie durch ein Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung gedeckt seien. Auch Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug wie die Äußerung der Beklagten würden den Schutz des Art. 5 Art. 1 Satz 1 GG genießen. Der Blog-Beitrag über die Besetzung der Redaktion diene der Meinungsbildung. Zudem habe die Klägerin kein ersichtliches Interesse an der Geheimhaltung der Besetzung der Redaktion. Somit sei eine entsprechende Äußerung nicht von der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht – und damit nicht von der Unterlassenserklärung – erfasst gewesen.
Die Entscheidung ergänzt die Rechtsprechung, die bislang zu den arbeitsrechtlichen Folgen von „Blogs“ und „Posts“ in sozialen Netzwerken ergangen ist (vgl. mein Blog vom 24.10.2012, http://www.arbrb.de/blog/2012/10/24/beleidigungen-auf-facebook/). Anders als in den meisten Fällen, in denen sich die Arbeitsgerichte – und gelegentlich auch die Verwaltungsgerichte (VG Ansbach v. 16.01.2012, AN 14 K 11.02132) – in kündigungsrechtlichen Streitigkeiten zu Einträgen von Arbeitnehmern in sozialen Netzwerken äußern mussten, kam es hier lediglich auf die Verschwiegenheitspflicht der Beklagten an – und zwar deshalb, weil die Beklagte das Unternehmen bereits verlassen hatte.
Zu Recht hat das Landgericht die zweite Äußerung der Beklagten in einem ersten Schritt nicht als geheimhaltungsbedürftige Information über die Klägerin eingestuft. Ob das Gericht in einem zweiten Schritt die vertragliche Verschwiegenheitspflicht jedoch in zulässiger Weise einschränkend dahingehend auslegen durfte, dass nicht geheimhaltungsbedürftige Tatsachen nicht von der Klausel erfasst seien, erscheint fragwürdig. Denn angesichts der Tatsache, dass es sich hierbei um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gehandelt haben dürfte, hätte man auch erwägen können, die Klausel wegen des zu weitreichenden Tatbestands wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB insgesamt für unwirksam zu erklären. Eine geltungserhaltende Reduktion hätte in diesem Fall nicht stattfinden dürfen. Dies ließ das Gericht – unserer Ansicht nach zu Unrecht – dahinstehen.
Dr. Detlef Grimm/Dr. Friederike Linden