Wer kennt sie nicht, die Situation, in der ein Arbeitnehmer meistens für längere und damit auch weit zurückliegende Zeiträume tatsächlich oder angeblich geleistete Ãœberstunden und deren Vergütung geltend macht. Fast immer geht es um die Darlegungs- und die Substantiierungslast, manchmal werden auch mehr oder weniger aussagekräftige Unterlagen vorgelegt, um deren „Beweiswert“ es dann geht.
Im vom LAG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall hatte ein Tierpfleger auf einer Reitanlage am 10.9.2014 einer Angestellten des Beklagten, die für die Arbeitseinteilung und Anleitung der Mitarbeiter des Beklagten zuständig war, ein Schreiben vom 8.9.2014 übergeben, in dem er ausführte, dass er im Zeitraum 1.6.2011 – 09.2014 (92 Freitage) von der Betriebsleitung angeordnete Mehrarbeit geleistet (habe), die bisher nicht durch Ãœberstundengeld bzw. bezahlter Freizeit abgegolten worden (sei). Gleichzeitig bat er darum, dies in angemessener Form bis zum 19.9.2014 nachzuholen bzw. zu klären. Am 15.10.2014 erhielt der Kläger das Schreiben, auf dem handschriftlich die Zusätze „Der Anspruch von Herrn Bä. wird geldtechnisch abgegolten. Für das Jahr 2014 bleiben ihm 5 Tage erhalten.“ angebracht waren, von Frau C. zurückgereicht nebst der Lohnbescheinigung für Oktober 2014 und einem Umschlag mit 500,00 EUR in bar. Im November 2014 zahlte der Beklagte an den Kläger weitere 500,00 EUR aus. Mit Schreiben vom 29.11.2014 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2014 und erklärte zugleich, es erfolge eine Freistellung vom 1.12.2014 bis 31.12.2014 zum Ausgleich bestehender Urlaubsansprüche und eines etwaigen Freizeitausgleichs. Mit der im Februar 2015 erhobenen Klage hat der Kläger Vergütung für Mehrarbeit im Umfang von 92 Tagen zu je 64,60 EUR brutto geltend gemacht, worauf er sich 1.000,00 EUR netto hat anrechnen lassen.
Für eine ausdrückliche Anordnung von Ãœberstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Ãœberstunden angeordnet hat. Es fehlt an substantiiertem Sachvortrag, wenn lediglich pauschal behauptet wird, eine dem Arbeitgeber zuzurechnende Person habe die Ãœberstunden angeordnet (BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, ArbRB online).
Die Annahme eines Schuldbestätigungsvertrags ist nur dann berechtigt, wenn die Parteien einen besonderen Anlass zu seinem Abschluss hatten. Da der vertragstypische Zweck darin liegt, das Schuldverhältnis – ganz oder teilweise – dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen, setzt der bestätigende Schuldanerkenntnisvertrag auch notwendig einen vorherigen Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit der Parteien über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte voraus (BGH v. 24.3.1976 – IV ZR 222/74, BGHZ 66, 250). Diese Voraussetzung hielt das LAG für nicht gegeben.
Ein wirksames abstraktes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB erfordert Schriftform, welche gem. § 126 S. 1 BGB die Namensunterschrift des Anerkennenden erfordert, was vorliegend ebenfalls nicht der Fall war.
Zur Bedeutung der tatsächlich gezahlten zweimal 500 EUR stellt das LAG zunächst fest, dass zwar in der vom Beklagten zur Akte gereichten „Lohn- und Gehaltsabrechnung 12.2014“ unter der Lohnart „250“ Ãœberstunden aufgeführt waren, denen ein Bruttobetrag von 1.543,50 EUR zugewiesen wurde. Aber auch daraus könne weder auf Anordnung und Leistung einer bestimmten Anzahl von Ãœberstunden, noch unabhängig davon auf einen zusätzlichen Vergütungsanspruch für Dezember 2014 in Höhe von 1.543,50 EUR brutto geschlossen werden. Die Lohnabrechnung stellt mangels erforderlicher Schriftform kein abstraktes Schuldanerkenntnis dar. Auch kommt ihr regelmäßig nicht die Bedeutung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zu (BAG v. 27.2.2014 – 6 AZR 931/12, ArbRB online).
Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, rechtzeitig für sich selbst aufzuzeichnen, wer wann welche Ãœberstunden angeordnet hat, oder rechtzeitig auf ein abstraktes oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis hinzuwirken (LAG Berlin-Brandenburg v. 28.4.2016 – 5 Sa 79/16).
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
www.redeker.de
Ein Kommentar
Ãœberstundenklagen sind und bleiben ein leidiges Thema. In der Praxis gelingt es wirklich selten, den hohen Darlegungs- und Substantiierungsanforderungen der Rechtsprechung nach zu kommen. Da gehen die Gerichte dann oft mit dem „Subtantiierungshobel“ zu Werke und weisen die Klagen ab.
Arbeitnehmer sollten zudem im Auge haben, ob auf ihr Arbeitsverhältnis sogenannte Verfall- oder Ausschlussfristen anwendbar sind. Diese können sich aus dem Arbeitsvertrag oder einem Tarifvertrag ergeben und führen dazu, dass Ansprüche binnen weniger Monate verfallen können. Auch hier haben Mandanten nicht selten böse Überraschungen erlebt.