Im Jahr 1598 hatte Elisabeth I. die – 1175 zunächst Kölner Mitgliedern der Hanse verliehenen – Handels-Privilegien der deutschen Hanse aufgehoben und deren Mitglieder aus ihrem Londoner Quartier, dem Stalhof (Steelyard), der auf dem Gelände des heutigen Bahnhofs Cannon Street lag, vertrieben. Arbeitsrechtliche Fragen waren damals nicht relevant. Was hat der Brexit heute zur Folge?
- Am bedeutsamsten dürfte die Frage sein, ob in Großbritannien ansässige Unternehmen Arbeitnehmer aus der Europäischen Union ohne Arbeitserlaubnis weiter beschäftigen können. Dies folgt nun aus den EU-Grundprinzipien der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit sowie der VO (EG) 883/2004 im Bereich der sozialen Sicherungssysteme. Zukünftig wären dann Visa und Arbeitserlaubnis sowie eine sozialversicherungsrechtliche Begleitung der Arbeitnehmerentsendungen erforderlich. Hier wird es sehr auf die Ergebnisse der Verhandlungen mit Großbritannien ankommen.
- Großbritannien tut sich mit § 613 a BGB (in Großbritannien TUPE genannt) seit jeher schwer. Dies, obgleich die britische Regierung im Jahre 2006 den Anwendungsbereich des Betriebsübergangs (TUPE) auch auf Outsourcings und die Übertragung von Dienstleistungen (Service Provision Changes) ausgeweitet hatte. Das ging über die Regeln der RL 2001/23/EG hinaus. Auch 2014 hat man daran nichts geändert, so dass man zukünftig beim Tatbestand zunächst von einer gewissen Konstanz ausgehen kann. Diskutiert wird, ob die Regeln zum Betriebsübergang, die die Harmonisierung der Arbeitsbedingungen nach einem Betriebsübergang zum Gegenstand haben, so verändert werden, dass Harmonisierungen dieser Bedingungen (insb. bei Lohn und Arbeitszeit) erleichtert werden. Die zukünftige englische Gesetzgebung wird abzuwarten sein.
- Kritisiert wird in Großbritannien seit jeher das relativ strikte Recht zur Konsultation bei Massenentlassungen (Massenentlassungs-RL RL 98/59/EG). Hier dürfte sich am ehesten eine Änderung ergeben.
- In englischen Anwaltskreisen wird spekuliert, ob die Tage der europarechtlich vorgegebenen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (Arbeitszeit-Richtlinie RL 2003/88/EG Art. 6 lit. b)) gezählt sind.
- Das Recht der europäischen Aktiengesellschaft (SE) ist durch eine EU-Verordnung geregelt. Würde der Brexit wirksam werden und keine Übergangsregelung in den Verhandlungen mit der EU getroffen werden, würden SE in Großbritannien ohne Rechtsgrundlage existieren. Dies müsste dann auch dazu führen, dass britische Arbeitnehmer bzw. deren Gewerkschaftsvertreter in den Mitbestimmungsgremien der SE nicht mehr beteiligt sind.
- Auch wäre die Mitbestimmung bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen (RL 2005/56/EG, Art. 16) wohl nicht mehr gesichert. Hier wird man sehr genau – ebenso wie bei den Regelungen zur Mitbestimmung im EBR – auf die Übergangsregelungen achten müssen.
- Einige Rechtsnormen des europäischen Arbeitsrechts werden in Großbritannien nach der Umsetzung weiter gelten, wie beispielsweise auch die Regelungen zur Antidiskriminierung, die nach britischem Verständnis positiv bewertet werden und britisches Sozial- und Rechtsverständnis repräsentieren.
Für die verbindliche Auslegung dieser Richtlinien ist bislang der EuGH zuständig. Dies wird nach dem Wirksamwerden des Brexit nicht mehr der Fall sein. Britische Gerichte werden nicht mehr länger an Entscheidungen des EuGH – wohl auch aus der Vergangenheit – bei etwaig fortgeltendem EU-Recht gebunden sein.
Eine spannende Zeit nicht nur für Gesellschafts- und Kapitalmarktrechtler, Bank- und Versicherungsrechtler, sondern auch für uns Arbeitsrechtler.
P.S.: Wir dürfen dann auch noch abwarten, ob die EU Großbritannien datenschutzrechtlich als sicheren Drittstaat anerkennt oder eine EU-UK Privacy Shield vereinbart. Sonst dürfte die Übermittlung von Beschäftigtendaten nach Großbritannien schwieriger werden.