Während die Fachwelt gespannt den 24. und 25. Januar 2017 erwartet, weil an diesen Tagen der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Tarifeinheitsgesetz mündlich verhandeln wird (eine Gliederung für die Verhandlung ist auf der Homepage unter www.bundesverfassungsgericht.de/Pressemitteilungen veröffentlicht), hat das Bundesarbeitsgericht jüngst entschieden, welche Vergütungsordnung(en) in einem tarifpluralen Betrieb maßgeblich sind.
Im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers stellt die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts der Arbeitnehmer dar. Bei tariflichen Vergütungsregelungen handelt es sich zwar nicht um Betriebsnormen i.S.v. § 3 Abs. 2 TVG, die tarifrechtlich unabhängig von der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer maßgeblich sind, sondern um Inhaltsnormen, die nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 TVG unmittelbar und zwingend nur zwischen dem Arbeitgeber und den tarifgebundenen Arbeitnehmern gelten. Jedoch ist der tarifgebundene Arbeitgeber betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung – ungeachtet der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer – im Betrieb insoweit anzuwenden, wie deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen. Die Entgelthöhe unterliegt nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Ist der Arbeitgeber an zwei (oder noch mehr) tarifliche Vergütungsordnungen gebunden, die zu einer Tarifpluralität führen, werden seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten durch das Bestehen mehrerer, unabhängig voneinander geltender Entgeltsysteme erweitert. Er ist dann grundsätzlich verpflichtet, die Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats den Entgeltgruppen der aller betriebsverfassungsrechtlich geltenden Vergütungsordnungen zuzuordnen. Wenn die tarifrechtlich angeordnete unmittelbare und zwingende Wirkung eines Tarifvertrags, z.B. aufgrund seiner Kündigung, endet, bleiben die im Betrieb geltenden Grundsätze der betreffenden tariflichen Vergütungsordnung auch nach Eintritt der Nachwirkung i.S.d. § 4 Abs. 5 TVG das für den Betrieb maßgebliche kollektive Entgeltschema bzw. eines der mehreren für den Betrieb maßgeblichen Schemata. Eine betriebliche Vergütungsordnung, die auf einem nachwirkenden Tarifvertrag beruht, wird jedenfalls weder durch den Abschluss von Tarifverträgen mit einer anderen Gewerkschaft abgelöst noch durch das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG verdrängt. Bis zu einem wirksamen Änderungsakt sind auch die Vergütungsgrundsätze des nachwirkenden Tarifvertrages grundsätzlich betriebsverfassungsrechtlich weiter gültig.
Auf § 4a TVG, über den das BVerfG entscheiden wird, kam es schon deswegen nicht an, weil die Vorschrift nach § 13 Abs. 3 TVG nicht auf Tarifverträge anzuwenden ist, die – wie im entschiedenen Fall – am 10. Juli 2015 bereits galten (BAG, Beschl. v. 23.8.2016 – 1 ABR 15/14, ArbRB Online). Die Erwartung des Betriebsrats, dass der Arbeitgeber Ein- und Umgruppierungen der Arbeitnehmer nur noch nach den Tarifgruppen gem. dem MTV der Genossenschaftsbanken in Verbindung mit dem Gehaltstarifvertrag für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken, beide abgeschlossen zwischen den Gewerkschaften HBV und DAG / ver.di vornimmt, ausgenommen es handelt sich um Mitglieder der konkurrierenden Gewerkschaften DBV und DHV, konnte das BAG nicht erfüllen. Es hat den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
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