So skizziert ein Artikel in der soeben erschienenen Ausgabe 1/2 2017 der Zeitschrift „Wohlfahrt Intern“ die Stimmung bei den DRK-Schwestern. Ob ihnen, die anderen Menschen gerade auch in Krisenregionen und bei Katastrophenfällen beherzt und ohne Furcht helfen, wirklich so bange ist, dass eine Besprechung des Urteils des EuGH vom 17.11.2016 (Rs. C-216/15) durch den Bonner Professor Gregor Thüsing (s. auch ArbRB 2016, 354 [Hildebrand]) zum „letzten Strohhalm“ wird, sei dahingestellt. Erste Hilfe wurde ihnen von unerwarteter Stelle, nämlich von ver.di, gleich am Tag darauf angeboten: „Wir helfen gerne dabei, gute tarifliche Regelungen für den Ãœbergang zu finden und die Ansprüche der Betroffenen zu sichern“ (https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen). Die oberste Repräsentantin der Betroffenen, die Generaloberin und Präsidentin des Verbandes der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), wird in „Wohlfahrt Intern“ mit der Aussage zitiert: „Wir wollen kein politischer Kollateralschaden werden“. Worum geht es?
DRK-Schwestern keine Arbeitnehmer nach deutschem Recht
Mitgliedsschwestern der DRK-Schwesternschaften sind keine Arbeitnehmer im Sinne des im deutschen Recht verwandten allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs. Sie erbringen ihre Arbeitsleistung zwar in persönlicher Abhängigkeit. Rechtsgrundlage für die von ihnen geschuldeten Dienste ist aber kein privatrechtlicher Vertrag, sondern die durch Beitritt zur DRK-Schwesternschaft begründete Mitgliedschaft in einer DRK-Schwesternschaft, und die aufgrund der Vereinsautonomie in der Satzung und Mitgliederordnung verankerte Pflicht, den Vereinsbeitrag in Form der Leistung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit zu erbringen. Ein Rechtssatz, wonach bei Diensten in persönlicher Abhängigkeit ausschließlich ein Arbeitsverhältnis begründet wird bzw. werden kann, besteht im deutschen Recht nicht. Mit seiner zuletzt im Vorlagebeschluss vom 17.3.2015 (1 ABR 62/12 (A), ZTR 2015, 400 = ArbRB 2015, 233 [Oetter]) bestätigten Rechtsprechung, dass aufgrund der Vereinsautonomie (Art. 9 Absatz 1 GG) abhängige Dienste auch als Mitgliedschaftsbeitrag erbracht werden können, soweit durch die Arbeitspflichten zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen nicht umgangen werden, hat sich der 1. Senat des BAG klar gegen eine abweichende, insbesondere vom Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen und Vorsitzenden Richter am Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland vertretene Ansicht gewandt. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen hat das BAG angesichts der für die Vereinsmitglieder in den Satzungen und Mitgliederordnungen der Schwesternschaften vorgesehenen Leistungen stets verneint.
Entscheidung des BAG am 21.2.2017
Folgt der 1. Senat dem 7. Senat (Beschl. v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, ArbRB 2013, 332 [Mues], wonach es im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt, wird er am 21. Februar 2017 noch nicht darüber zu entscheiden haben, ob mit in Kraft treten des § 1 Abs. 1 Satz 3 AÃœG (n.F.) am 1.4.2017 lediglich ein Ketten-, Zwischen- oder Weiterverleih untersagt und positiv geregelt wird, dass Leiharbeitnehmer nur von ihrem vertraglichen Arbeitgeber verliehen werden dürfen, oder ob der Gesetzgeber damit entgegen dem Beschluss vom 17.3.2015 auch einen Vertragstypenzwang eingeführt hat. Er wird auf der Grundlage des noch bis zum 31.3.2017 geltenden § 1 Abs. 1 Satz 2 AÃœG zu entscheiden haben, ob der Betriebsrat der Ruhrlandklinik in Essen die Zustimmung zur Einstellung von Schwestern der DRK Schwesternschaft Essen e.V. aufgrund eines unbefristeten Gestellungsvertrages gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG mit der Begründung verweigern durfte, dass die Einstellung nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft erfolgen sollte und damit gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÃœG verstößt. Dabei ist er teilweise an die Entscheidung des EuGH vom 17.11.2016 (Rs. C-216/15, ArbRB 2016, 354 [Hildebrand]) gebunden, nämlich soweit der EuGH im Rahmen seiner Kompetenz Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) dahin ausgelegt hat, dass die Ãœberlassung eines Vereinsmitglieds an ein entleihendes Unternehmen durch einen Verein, der keinen Erwerbszweck verfolgt, jedoch für die Ãœberlassung ein Gestellungsentgelt erhält, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, wenn die Ãœberlassung erfolgt, damit das Mitglied bei dem entleihenden Unternehmen hauptberuflich und unter dessen Leitung gegen eine Vergütung Arbeitsleistungen erbringt, sofern das Mitglied aufgrund dieser Arbeitsleistung in dem Mitgliedsstaat geschützt ist, auch wenn es nach nationalem Recht kein Arbeitnehmer ist, weil es mit dem Verein keinen Arbeitsvertrag geschlossen hat.
Schnelles Denken, langsames Denken
Bange müsste den DRK-Schwestern werden, wenn sie die Zusammenfassung dieser Entscheidung in der online Ausgabe der „Ärzte-Zeitung“ vom 18.11.2016 gelesen haben: „Rot-Kreuz-Schwestern gelten als Arbeitnehmerinnen, für die nur eine vorübergehende Ãœberlassung zulässig ist, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die Rot-Kreuz-Schwesternschaft ist ein Verein ohne Gewinnabsicht; nach deutschem Recht gelten die Schwestern nicht als Arbeitnehmer. Dennoch zählen die üblichen Regeln für Leiharbeit, so der EuGH. Ein „Beschäftigungsverhältnis“ mit arbeitnehmerähnlichem Schutz reiche hierfür aus.“ Wer nach einer weiteren Bestätigung gesucht hat, dass schnelles Denken bisweilen zu verhängnisvollen Fehlentscheidungen führen kann und langsames Denken manchmal ein überlebensnotwendiger Reflex ist (Lesenswert Daniel Kahnemann „Schnelles Denken, langsames Denken“), findet sie darin. Die „Ärzte-Zeitung“ gibt so ziemlich alles falsch wieder. Insbesondere hat der EuGH nichts zur Dauer der Ãœberlassung und auch nichts zu den anwendbaren Regeln ausgeführt. Und er hat auch nicht entschieden, dass DRK-Schwestern Arbeitnehmerinnen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Leiharbeitsrichtlinie sind; jedoch ist der Begriff der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Leiharbeitsrichtlinie so auszulegen, dass es möglich ist, dass DRK-Schwestern Arbeitnehmerinnen sind. Da der EuGH jedoch nur das Unionsrecht auslegt und die Umsetzung dieses Auslegungsergebnisses im Einzelfall stets Aufgabe der Gerichte der Mitgliedstaaten ist, kommt es auf das weitere Verfahren vor dem 1. Senat an.
Der entscheidende Punkt
Nach der in Art. 267 Abs. 1 AEUV festgelegten Verteilung der Zuständigkeiten, von der die Entscheidung des EuGH ausgeht, wird es Aufgabe des BAG sein, zu prüfen, ob Mitglieder von DRK-Schwesternschaften aufgrund dieser Arbeitsleistung in der Bundesrepublik Deutschland geschützt sind. Es ist dabei nicht an den obiter Dictum und über die Grenzen seiner Zuständigkeit hinaus erfolgten Hinweis des EuGH gebunden, dass es naheliege, dass die Mitglieder der DRK-Schwesternschaft aufgrund der von ihnen erbrachten Arbeitsleistung geschützt seien („it appears, therefore, that the members of the association are protected in Germany by virtue of the work they carry out, this being, however, a matter for the referring court to determine„). Es ist unerheblich, ob dem EuGH bewusst war, dass über den Schutz von DRK-Schwestern in Deutschland – nicht nur zwischen ver.di und dem DGB auf der einen und dem Verband der Schwesternschaften auf der anderen Seite, sondern auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum – unterschiedliche Ansichten bestehen (zum Streitstand siehe Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Auflage 2015, § 29 Rz. 12 m.w.N.). Wenn der 1. Senat des BAG, wovon auszugehen ist, an der Beurteilung im Beschluss vom 17.3.2015 (1 ABR 62/12 (A), ZTR 2015, 400 = ArbRB 2015, 233 [Oetter]) festhält, wonach angesichts der in den Satzungen und Mitgliederordnungen für DRK-Schwestern vorgesehenen Leistungen durch die als Mitgliedschaftsbeitrag zu erbringenden Arbeitsleistungen zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen nicht umgangen werden, dann wird ihm ohne großes Nachdenken bewusst werden, dass dieses aus Sicht der DRK-Schwesternschaften wohlmeinende und rechtlich zutreffende Zusammenfassung, die sich insoweit wohltuend von der „Ärzte-Zeitung“ abhebt, sich ex post in Kenntnis des obiter dictums des EuGH einen juristischen Kollateralschaden verursachen könnte, der nicht nur die Vereinsautonomie des Art. 9 Abs. 1 GG verletzen, sondern die Existenz der DRK-Schwesternschaften beenden könnte.
Differenzierung zu erwarten
Schnell denkt man mit Blick auf das – einem Sirenenruf gleichende – obiter dictum des EuGH „si tacuisses …“. Der 1. Senat des BAG wird differenzierter über die Entscheidung des EuGH nachdenken und feststellen, dass dem unverbindlichen Hinweis utra vires auf der einen Seite der fast orakelhafte Relativsatz „sofern das Mitglied aufgrund dieser Arbeitsleistung in dem Mitgliedsstaat geschützt ist“ gegenübersteht. Er gibt dem BAG Steine statt Brot und ruft geradezu nach einer Konkretisierung: Meinte der EuGH wirklich den (ohne Berücksichtigung der Leiharbeitsrichtlinie) erreichten Schutz im Mitgliedstaat oder die Schutzbedürftigkeit, die in Bestimmungen der Rechtsordnung des Mitgliedstaates hinreichend zum Ausdruck gekommen sein muss? Stellt der EuGH überhaupt auf den Schutz durch die Rechtsordnung des Mitgliedstaates ab und gehören dazu auch völkerrechtliche Verpflichtungen? Sind damit sämtliche zwingenden Normen der allgemeinen Rechtsordnung des Mitgliedstaates (insbes. Gesetze) gemeint oder kann nur auf den durch die Arbeitsrechtsordnung (einschl. Kollektivverträge) gewährleisteten Schutz abgestellt werden 8siehe Art. 9 Abs. 2 der Leiharbeitsrichtlinie)? Kann oder muss ergänzend auch ein durch die Sozialen Sicherungssysteme bewirkter Schutz berücksichtigt werden? Ermöglicht oder gebietet die Leiharbeitsrichtlinie eine Gesamtbeurteilung und damit auch die Berücksichtigung des „nur“ durch vereinsautonome Regelungen gewährleisteten Schutzes? Die Ambiguität des zentralen Halbsatzes der Entscheidung des EuGH, den der Autor der „Ärzte-Zeitung“ entweder schnell überlesen oder als zu „sperrig“ empfunden hat, könnte den Charakter eines „Stolpersteins“ haben und die Annahme stützen, dass der EuGH die bewusste Unschärfe nicht als das Ende des Dialogs mit dem BAG, sondern als eine invitatio für dessen Fortsetzung verstanden wissen möchte.
Ist nur die vorübergehende Überlassung zulässig?
Die Zusammenfassung in der „Ärzte-Zeitung“ lässt nicht nur diesen Relativsatz unbeachtet, sondern legt in die Entscheidung des EuGH auch etwas hinein, was in ihr nicht enthalten ist, nämlich dass die Leiharbeitsrichtlinie nur eine vorübergehende Ãœberlassung von Arbeitnehmern zulässt. Die Bedeutung dieses Begriffs in Art 1 Absatz 1 der Leiharbeitsrichtlinie war und ist umstritten; der EuGH hat dazu nicht Stellung genommen. Aber dies ist der Kern. Teilweise ist von einem Programmsatz ohne Rechtsfolge die Rede; u.a. die EU Kommission, die 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingestellt hat (CHAP (2015) 00716), vertritt die Ansicht, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie auf vorübergehende Ãœberlassungen beschränkt sei. Schließlich wird die Ansicht vertreten, dass die Richtlinie lediglich vorübergehende Ãœberlassungen erlaubt und nicht mehr nur vorübergehende Ãœberlassungen verbietet. Ebenfalls offen ist, ob, wenn man Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie als Verbot dauerhafter Ãœberlassung ansieht, auf die Besetzung von Arbeitsplätzen im Entleiherbetrieb oder auf die Ãœberlassung des einzelnen Leiharbeitnehmers abzustellen ist.
Die bisherige Haltung des BAG
Die Begründung des 7. Senats unterscheidet zwischen dem Inhalt und Regelungsgehalt des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG und dem Motiv des Gesetzgebers. Das ist dogmatisch und im Ansatz zutreffend, denn nicht alles, was im manchmal schwer durchschaubaren Politzyklus zur Sprache kommt, wird vom Gesetz als dem normativ verfestigten Willen des Gesetzgebers umfasst (Baer, Rechtssoziologie, 2. Auflage 2015, § 6 Rz. 51 ff.). Hier soll es umgekehrt sein: Das Gesetz soll sogar qualitativ mehr umfassen, als der Gesetzgeber selbst gemeint hat. Das Arbeitsministerium, aus dem der Gesetzentwurf stammt, wurde seinerzeit von einer CDU-Ministerin geleitet. Der 7. Senat hat den unionsrechtlichen Bezug nicht grundsätzlich verkannt, er hat sich jedoch damit begnügt, festzustellen, dass weder die Leiharbeitsrichtlinie noch Art. 16 GR Charta der EU einem gesetzlichen Verbot der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung entgegenstünden. Dem Verbotscharakter des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG liegt das Paradigma des Schutzes der kollektiven Interessen der betroffenen Belegschaft zugrunde. Im Interesse der Stammarbeitnehmer soll eine Spaltung der Belegschaft begrenzt und die Gefahr eingeschränkt werden, dass zumindest faktisch auf deren Arbeitsplatzsicherheit und die Qualität ihrer Arbeitsbedingungen Druck ausgeübt wird. Im Rahmen dieser Begrenzung wird die Organisationsgewalt des Arbeitgebers, die Belegschaft in bestimmter Weise zusammenzusetzen, eingeschränkt.
Der 1. Senat im Dilemma?
Dass der EuGH das Auslegungsmonopol für die Auslegung des Unionsrechts hat, ist das Eine. Dass eine unionsrechtskonforme Auslegung einer nationalen Rechtsvorschrift außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts nicht ausgeschlossen ist, ist das Andere. Dazu hat der EuGH mehrfach entschieden, dass ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung einer nationalen Vorschrift nicht zwingend, aber zulässig ist, wenn die auszulegende nationale Vorschrift nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers auf solche Sachverhalte angewendet werden soll, die unter eine Richtlinie fallen und deshalb die innerstaatliche Rechtsvorschrift an das Gemeinschaftsrecht angepasst wurde. In solchen Fällen besteht nach der Rechtsprechung des EuGH ein „klares Interesse“ der Union daran, dass die aus dem Unionsrecht in das nationale Recht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern. Dem 1. Senat ist aber auch die Methode der sog. „gespaltenen Auslegung“ bekannt, die zur Anwendung kommt, wenn ein Gesetz, das der Umsetzung einer Richtlinie der EU dient, je nachdem, ob es in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt oder nicht, unterschiedlich ausgelegt wird. Auch weiß er, dass nach übereinstimmender Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit ihre Schranken findet und daher nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen darf. Folglich wird das BAG sorgfältig prüfen, ob überhaupt ohne Beantwortung der oben gestellten Fragen durch den EuGH eine Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs des § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 AÃœG besteht oder ob lediglich die Gebote des § 9 AÃœG im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung auch von DRK-Schwesternschaften einzuhalten sind. Er wird ferner sorgfältig prüfen, ob und inwieweit der Grundsatz der Rechtssicherheit und Art. 9 Abs. 1 GG einer unionsrechtskonformen Auslegung und einer erweiternden Anwendung des Arbeitnehmerbegriffs auf DRK-Schwestern Grenzen setzt, solange sie aufgrund ihrer Arbeitsleistung geschützt sind.
Wie könnte der EuGH die Leiharbeitsrichtlinie auslegen?
Durch eine erneute Befragung würde dem EuGH zugleich die Möglichkeit gegeben, das der Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÃœG zugrunde liegende Paradigma des Schutzes kollektiver Interessen der Stammbelegschaft auf seine Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten und der Leiharbeitsrichtlinie zu überprüfen und die Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ im Zusammenhang mit der dauerhaften Ãœberlassung von Mitgliedern eines Vereins auch mit Blick auf die durch Artikel 12 Abs. 1 GR Charata gewährleistete Vereinigungsfreiheit zu klären. Eine „schonende Befragung“ des EuGH, die zunächst nur ein einzelnes Element einer Norm in den Blick genommen und den unionsrechtlichen Normzusammenhang nicht berührt hat, war mit Rücksicht auf die Entscheidung des 7. Senats und auf die zum Zeitpunkt der Vorlage noch ausstehende Antwort des EuGH gut nachvollziehbar. Nur wenn es bei der orakelhaften Entscheidung des EuGH bliebe und der 1. Senat den Dialog mit dem EuGH abbrechen würde, könnte ein solcher Abbruch das Kooperationsverhältnis zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und dem EuGH beeinträchtigen. Dass der 1. Senat dies auf´s Spiel setzen könnte, kann ihm nicht unterstellt werden. Eher schon, dass er längst weiß, welche weiteren Fragen relevant sind. Welche Bedeutung er den weiteren Erwägungen des EuGH beimisst, nämlich, dass Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie besagt, dass der Unionsgesetzgeber die Befugnis der Mitgliedstaaten bestehen lassen wollte, die unter den Arbeitnehmerbegriff im Sinne ihres nationalen Rechts fallenden und im Rahmen ihrer innerstaatlichen Regelung zu schützenden Personen zu bestimmen und dass die Harmonisierung dieses Aspekts nicht Gegenstand der Richtlinie ist, und dass sich aus den Erwägungsgründen 10 und 12 der Richtlinie ergibt, dass sich in Bezug auf die rechtliche Stellung, den Status und die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern innerhalb der Union große Unterschiede feststellen lassen und dass die Richtlinie einen diskriminierungsfreien, transparenten und verhältnismäßigen Rahmen zum Schutz dieser Arbeitnehmer festlegen und gleichzeitig die Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen wahren soll, bleibt abzuwarten. Die Analyse der „Ärzte-Zeitung“, die von alledem nichts wissen will, ist lediglich insoweit hilfreich, als sie die Ursache banger Erwartung offenlegt, nämlich die wenig hilfreiche Antwort des EuGH, die für Laien allenfalls den Blick in die Glaskugel freigibt. Wer aber, wie der 1. Senat, das Mehrebenensystem kennt und weiß, dass die „gespaltene Auslegung“ nicht beliebig, sondern nur kohärent und verfassungskonform angewendet werden kann, um die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht zu überschreiten und dem gebot der Rechtssicherheit zu entsprechen, und dass in jedem Fall entweder Art. 9 Abs. 1 GG oder Art. 12 Abs. 1 EU GR Charta zu beachten ist, kann den Vorhang noch nicht schließen, sondern wird die noch klärungsbedürftigen Fragen formulieren.
Fazit
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