Ich möchte Ihnen heute zwei Entscheidungen der Arbeitsgerichtsbarkeit vorstellen: Eine des ArbG Kiel zur Mindestbesetzung im Krankenhaus als Maßnahme des Gesundheitsschutzes (Beschluss v. 26.07.2017 – 7 BV 67c/16) und eine des ArbG Heilbronn (Beschluss v. 08.06.2017 – 8 BV 6/16) zur Mitbestimmung bei der Einrichtung einer Smartphone-App mit Kundenfeedbackfunktion.
1. Gegenwärtig wird viel über die Belastung der Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeheimen diskutiert. Eine Einigungsstelle in einem Krankenhaus hatte eine Mindestbesetzung für den Pflegedienst in bestimmten Stationen festgesetzt. Sie hatte dazu zunächst einen Sachverständigen zur Bewertung der Arbeitssituation unter besonderer Berücksichtigung der Pflegekräfte eingesetzt und dann (nach Einholung von insgesamt drei Gutachten –  die Einigungsstelle war dreieinhalb Jahre tätig) für einige Stationen festgelegt, wie viele examinierte Pflegekräfte im Früh- und Spätdienst für eine bestimmte Patientenzahl zu planen sind.
Das ArbG Kiel führt aus, dass die Vorgabe einer Mindestbesetzung mit Pflegepersonal eine Maßnahme sei, mit der einer Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten durch Überlastung begegnet werden könne. Der Betriebsrat habe auch ein Mitbestimmungsrecht und deshalb sei die Einigungsstelle zuständig.
Dies folge aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. §§ 3, 5 ArbSchG. Bestünden mögliche konkrete Gefährdungen, die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt worden seien,  für die Gesundheit, so könne der BR die Herbeiführung von betrieblichen Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers, mit denen die Gesundheitsschäden verhütet werden sollen, verlangen. Dabei berücksichtigt das ArbG Kiel auch schon den Beschluss des BAG vom 28.03.2017 (1 ABR 25/15, ArbRB 2017, 271 [Grimm]), wonach ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG (nur) dann besteht, wenn durch eine vorhergehende Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG eine Gefährdung festgestellt worden ist. Das sei hier durch die Gutachten des Sachverständigen im Hinblick auf die Arbeitsbelastungen auf den Stationen der Fall gewesen.
Die Einigungsstelle habe auch im Hinblick auf das Grundrecht der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit (Art. 12 GG) ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt, weshalb der Einigungsstellenspruch rechtmäßig sei. Sie habe eine Grundrechtsabwägung mit den Grundrechten der Arbeitnehmer aus Art. 31 der EU-Grundrechte-Charta vornehmen müssen. Danach habe jeder Mitarbeiter das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen. Nach Art. 2 Abs. 2 GG habe zudem jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Hier führe die Abwägung der Interessen zu einer stärkeren Gewichtung der Interessen der Arbeitnehmer. Die unternehmerische Planung sei insoweit auch noch frei gestaltbar, als die Höchstkapazität nicht vorgeschrieben worden sei. Werde mehr Personal eingesetzt, könne man auch alle Betten nutzen. Der Eingriff der Einigungsstelle sei also verhältnismäßig „gering“.
Bislang beschränkte sich das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei Personalbemessungsfragen auf die Unterrichtungs- und Beratungsrechte des § 92 BetrVG. Mit dem Ansatz über den Gesundheitsschutz hat die Einigungsstelle einen für die Betriebsratspraxis spannenden und für die Arbeitgeber möglicherweise schwierigen Ansatz des Eingriffs in die Personalplanungs-“Mengengerüste“ getätigt. Ich bin gespannt, wie die Instanzen dies sehen und wie die Betriebsratspraxis sich entwickeln wird.
2. Ein Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen hatte im Fall des ArbG Heilbronn (Beschluss v. 08.06.2017 – 8 BV 6/16, Beschwerde beim LAG Baden-Württemberg unter 4 TaBV 5/17) eine App für die Kunden angeboten. Dort konnte man ein Feedback zu den Filialen abgeben und dann verschiedene Qualitätsmerkmale mit positivem oder negativem Smiley auswählen. Teilweise waren auch noch Foto-Apps älterer Versionen im Umlauf, die aber gelöscht worden sind. Auf diesen konnten Kunden Fotos, die auch Mitarbeiterbilder enthalten konnten, senden.
Der Betriebsrat berief sich auf ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und machte – obgleich bereits eine Einigungsstelle eingesetzt worden war – Unterlassungsansprüche gegen die Nutzung der Smartphone-App geltend. Diese hat das ArbG Heilbronn zurückgewiesen. Es ist der Meinung, dass die vom Arbeitgeber betriebene Smartphone-App, die den Nutzern ein Kundenfeedback ermöglicht, keine technische Überwachungseinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG darstelle, wenn der Arbeitgeber weder zur Abgabe der Artikeldaten auffordere noch diese programmgemäß technisch weiterverarbeite, obgleich auch Angaben zur Leistung und zum Verhalten der Mitarbeiter in den Feedbacks der Kunden enthalten sein könnten.
Die Bejahung des Mitbestimmungstatbestands des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG setze voraus, dass eine im Kern selbstständige Erhebung von Daten stattfinde, und zwar durch die technische Einrichtung. Das sei dann nicht der Fall, wenn diese Daten der technischen Einrichtung durch Dritte ohne eigenes Zutun – insbesondere ohne hierauf gerichtete Aufforderung der Kunden durch den Arbeitgeber – zuwachsen würden. Würden die bei der technischen Einrichtung eingehenden Daten anschließend ausschließlich manuell selektiert und an die Stellen weitergeleitet, für die die Informationen bestimmt seien (z.B. an die Abteilungen im Warensortiment, im Einkauf und an die Hausleiter der Filiale), sei eine programmgemäße technische Datenverarbeitung nicht gegeben. Das sei nur dann anders – was aber hier nicht der Fall gewesen sei – wenn die eingehenden Daten durch die technische Einrichtung mittels einer eigenen Auswertungssoftware wieder weiterverarbeitet werden würden oder könnten.
Bekanntlich müsse die Ãœberwachung durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden, was hier nicht der Fall sei. Das subsumiert das ArbG dann im Einzelnen. Dazu bezieht sich das ArbG auch auf den Beschluss des BAG zur Mitbestimmung bei der Facebook-eigenen Software (BAG v. 13.12.2016 – 1 ABR 7 /15, vgl. JM 2017, 330 mit Anmerkung Grimm/Kühne und ArbRB 2017, 174 [Mues]). Eine spannende Entscheidung im Kontext des Facebook-Beschlusses des BAG, die im weiteren Fortgang durch die Instanzen die Auswirkungen der digitalen Arbeitswelt auf die Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abzugrenzen vermag – sicherlich ein uns alle in Zukunft beschäftigendes Thema.