Wenn der Arbeitgeber altgewohnte Praktiken ändern will, ist Widerstand oft vorprogrammiert. Schalten Arbeitnehmer gar Anwälte ein, behaupten diese meist, die Gewohnheiten hätten sich als sog. „betrieblichen Übung“ rechtlich verfestigt. In den meisten Fällen trifft dieses Argument allerdings nicht zu. In seinem Urteil vom 21.02.2018 (Az. 6 Sa 110/17) ließ sich auch das LAG Thüringen von diesem Argument nicht überzeugen.
Zahlt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern freiwillig ein Weihnachtsgeld und erklärt er dabei keinen Freiwilligkeitsvorbehalt, kommt es nach drei Jahren zu einer sog. betrieblichen Übung: Gerichte gehen nach dem dritten Jahr davon aus, dass sich der Arbeitgeber durch sein gleichförmiges Verhalten rechtlich selbst gebunden hat. Für die Zukunft ist der Arbeitgeber von nun an rechtlich verpflichtet, das Weihnachtsgeld jedes Jahr aufs Neue zu zahlen. Arbeitnehmer können es einklagen.
Eine betriebliche Übung kann sich nicht nur beim Weihnachtsgeld, sondern auch bei anderen betrieblichen Praktiken ergeben. Die betriebliche Übung ist deshalb eines der Lieblingsargumente von Arbeitnehmeranwälten, wenn der Arbeitgeber gewohnte Praktiken ändern will. Allerdings werden betriebliche Übungen meist zu Unrecht behauptet. Die Arbeitsgerichte erkennen betriebliche Übungen zwar bei regelmäßig gewährten Leistungen des Arbeitgebers an. In den meisten anderen Fällen kann der Arbeitgeber dagegen selbst Jahrzehnte alte Praktiken mit seinem Direktionsrecht jederzeit ändern. Arbeitgeber sollten sich durch dieses Argument also nicht zu sehr beeindrucken lassen.
So war es auch in einem Fall, den das LAG Thüringen jüngst zu entscheiden hatte. Ein Arbeitnehmer wurde 13 Jahre lang jeden Samstag zur Arbeit eingeteilt. Im 14 Jahr stellte der Arbeitgeber diese Praxis ein. Hiergegen wandte sich der Arbeitnehmer gerichtlich – ohne Erfolg.
Das LAG Thüringen stellte Folgendes klar: Allein aus der Beibehaltung einer betrieblichen Regelung hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung über einen längeren Zeitraum hinweg kann ein Arbeitnehmer nach Treu und Glauben nicht auf den Willen des Arbeitgebers schließen, diese Regelung auch künftig unverändert beizubehalten. Eine betriebliche Übung käme nur dann in Betracht, wenn zusätzliche besondere Umständen einen Bindungswillen des Arbeitgebers zum Ausdruck brächten. Solche Umstände seien hier nicht ersichtlich.