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Personalarbeit 4.0: Personalentwicklungskonzepte – Eine arbeitsrechtliche Herausforderung

avatar  Jonas Singraven

Im Zeitalter der digitalen Transformation konkurrieren Unternehmen immer stärker um qualifizierte Fach- und Führungskräfte. Gleichzeitig sind Fach- und Führungskräfte zunehmend bereit, den Arbeitgeber zu wechseln, wenn ihnen das eigene Unternehmen keine attraktive Entwicklungs- und Karriereperspektive bietet. Sehen sich ambitionierte Mitarbeiter im eigenen Unternehmen in einer Karrieresackgasse, gehen sie.

Immer mehr Unternehmen reagieren, indem sie transparente Konzepte zur Personalentwicklung (PE) aufstellen. Personalentwicklungskonzepte verfolgen eine doppelte Zielsetzung: Einerseits bringen Unternehmen, die ihre Belegschaft strategisch fortentwickeln, benötigte Fachqualifikationen selbst hervor und machen sich vom Arbeitsmarkt unabhängig. Andererseits zeigen Unternehmen ihren Mitarbeitern einen transparenten Entwicklungs- und Karrierepfad innerhalb der eigenen Organisation auf. Dies dient der Mitarbeiterbindung und motiviert.

Die Einführung von Personalentwicklungskonzepten sollte juristisch begleitet werden. Es stellen sich mehrere zentrale arbeitsrechtliche Herausforderungen. Diese sollten nicht unterschätzt werden:

Kündigungsschutz als Personalentwicklungsrisiko

Das deutsche Kündigungsschutzrecht führt dazu, dass Karrieren in Unternehmen üblicherweise als Einbahnstraße verlaufen – es geht nur nach oben. Einmal ausgesprochene Beförderungen werden vom kündigungsrechtlichen Bestandsschutz umfasst und können grundsätzlich nicht mehr korrigiert werden. Der Kündigungsschutz sichert nämlich nicht nur das Gehalt des Mitarbeiters, sondern auch die Wertigkeit seiner Stelle ab. Im Rahmen seines Versetzungsrechts kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch dann keine geringwertigere Tätigkeit zuweisen, wenn er die höhere Vergütung der bisherigen höherwertigen Tätigkeit weiterzahlt. Eine Degradierung ist grundsätzlich nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer möglich.

Im Rahmen der Personalentwicklung sind in Aussicht gestellte Beförderungen und sonstige Hochstufungen ein zentraler Motivator für die Belegschaft. Dabei sollte das Unternehmen für die Konsequenzen des deutschen Kündigungsschutzrechtes sensibilisiert sein. Sagt das Unternehmen zu früh zu viele Beförderungen zu, gibt es wegen des kündigungsrechtlichen Bestandsschutzes kein Zurück mehr. Dann besteht die Gefahr, dass zu viele Führungs- und Spitzenpositionen geschaffen werden („Wasserkopf“) oder – da alle Beförderungsstellen besetzt sind – in Zukunft jungen und ambitionierten Nachwuchskräften keine attraktive Aufstiegsperspektive mehr geboten werden kann.

Diskriminierungsverbote müssen beachtet werden

Nach §§ 7, 1 AGG darf das Personalentwicklungskonzept Mitarbeiter nicht aus Gründen des Geschlechts oder des Alters benachteiligen. Was sich auf den ersten Blick von selbst zu verstehen scheint, wirft in der Praxis nicht selten Fragen auf: Darf das Unternehmen ältere Mitarbeiter irgendwann von Fortbildungsmaßnahme ausschließen, weil sie kurz vor der Rente stehen und sich die Fortbildung vermeintlich „nicht mehr lohnt“? Dürfen Teilzeitkräfte von bestimmten Fortbildungsprogrammen und Beförderungspositionen prinzipiell ausgenommen werden, obwohl dadurch überproportional häufig Frauen betroffen sind? In welchem Umfang dürfen Frauen bei Beförderungen nach § 5 AGG bevorzugt werden, um eine Unterrepräsentanz ihres Geschlechts in Spitzenpositionen des Unternehmens auszugleichen?

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates

Viele übliche und sinnvolle Kernelemente von Personalentwicklungskonzepten unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrates. Dies hat zur Konsequenz, dass ein Personalentwicklungskonzept nur dann erfolgreich im Unternehmen eingeführt werden kann, wenn der Betriebsrat es grundsätzlich mitträgt.

  • Typischerweise werden die im Unternehmen vorhandenen Stellen erfasst und Stellenprofile, Funktionsgruppen und Rollen definiert. Dies unterliegt noch nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates. Sobald der Arbeitgeber allerdings Anforderungen an die Qualifikation eines Stelleninhabers sowie Karrierepfade definiert, können diese Definitionen als Auswahlrichtlinien (§ 95 Abs. 1 BetrVG) oder Beurteilungsgrundsätze angesehen werden (§ 94 Abs. 2 BetrVG). Dann muss der Betriebsrat zustimmen.
  • Ist das Unternehmen nicht tarifgebunden, kann es die Stellen definierten Gehaltsbändern zuordnen, in deren Rahmen den Stelleninhabern Gehälter zugesagt und Gehaltserhöhungen zugesprochen werden. Hierbei ist der Betriebsrat zu beteiligen, da ein Entlohnungsgrundsatz i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufgestellt wird.
  • Ordnet das Unternehmen an, dass Mitarbeiter jährliche Feedback-Gespräche mit ihren Mentoren führen, kann sich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergeben. Schließt der Mitarbeiter in diesem Gespräch Zielvereinbarungen ab, die seine variable Vergütung beeinflussen, folgt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
  • Im Rahmen von Personalentwicklungskonzepten werden Vorgaben für die Weiterentwicklung und Weiterbildung der Mitarbeiter aufgestellt. Nach § 98 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Festlegung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung ein Mitbestimmungsrecht. Weitere Beteiligungsrechte ergeben sich aus § 96 und § 97 BetrVG.
  • Sinnvoll kann es seinen, die erworbenen Qualifikationen der Mitarbeiter in Skill-Datenbanken softwarebasiert zu veröffentlichen. Auch dies ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nur unter Beteiligung des Betriebsrates zulässig. Im Rahmen der Verhandlungen mit dem Betriebsrat stellen sich verschiedene datenschutzrechtliche Fragen, insbesondere, wenn die Skill-Datenbank konzernweit genutzt werden soll und deshalb personenbezogene Daten an andere Konzernunternehmen weitergegeben werden.
  • Vor jeder Versetzung und Beförderung eines Mitarbeiters muss der Betriebsrat nach § 99 BetrVG beteiligt werden.

Bevor das Personalentwicklungskonzept eingeführt wird, sollte der Arbeitgeber eine Einigung mit seinem Betriebsrat über diese Punkte erreichen. Gleichzeitig können Unternehmen ein wertvolles Signal setzen, indem sie mit ihrem Betriebsrat eine schriftliche Vereinbarung (Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede) schließen, in der das Personalentwicklungskonzept festgehalten sowie förmlich und transparent dokumentiert wird. Einen Mustertext, wie eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat über ein Personalentwicklungsgesamtkonzept exemplarisch gestaltet werden kann, finden Sie hier (Quelle: Grimm/Singraven, Digitalisierung und Arbeitsrecht, auch abrufbar im Aktionsmodul Arbeitsrecht).

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