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Wechselschichtzulage für (teilweise) freigestelltes Betriebsratsmitglied

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Der mit 38,5 Stunden pro Woche in Vollzeit tätige Kläger ist Mitglied des beim Beklagten gebildeten Betriebsrats. Ab März 2020 war er zunächst mit einem Zeitanteil von 80 % seiner Arbeitszeit, seit Juni 2022 ist er vollständig von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Vor dem Beginn der Freistellung war der Kläger als Notfallsanitäter ausschließlich in Wechselschicht tätig und zu Rufbereitschaften eingeteilt, weswegen er eine im anwendbaren Tarifvertrag geregelte Wechselschichtzulage sowie eine Rufbereitschaftszulage erhielt. Die Betriebsratstätigkeit übt der Kläger von Montag bis Freitag zu sog. üblichen Bürozeiten (von ca. 08:00 Uhr bis ca. 17:00 Uhr), also nicht in Wechselschicht, aus. Die Erbringung von Arbeitsleistungen während dieser Zeiten würde nicht die tariflichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Wechselschicht- sowie einer Rufbereitschaftszulage erfüllen.

Mit seiner von den Vorinstanzen abgewiesenen Klage hat der Kläger die Zahlung der Differenz zwischen der höheren tariflichen Wechselschichtzulage und der Vergütung für Rufbereitschaft und der von dem Beklagten ohne Anerkennung einer Rechtspflicht tatsächlich gezahlten Wechselschichtzulage sowie einer sog. Zulagenpauschale geltend gemacht. Das BAG hat das Urteil des LAG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen (BAG vom 28.8.2024 – 7 AZR 197/23).

Die Entscheidung verdeutlicht das Ehrenamtsprinzip. Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt gem. § 37 Abs. 1 BetrVG unentgeltlich als Ehrenamt. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind sie von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Das Verbot der Entgeltminderung soll die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Übernahme eines Betriebsratsamts fördern, indem es ihm die Befürchtung nimmt, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung eines Ehrenamts zu erleiden. Die Regelung des § 37 Abs. 2 BetrVG begründet keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, sondern sichert den Entgeltanspruch des Betriebsratsmitglieds, indem sie dem Arbeitgeber den Einwand des nicht erfüllten Vertrags nimmt. Sie konkretisiert hinsichtlich der Vergütung das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG. Die Vorschrift gilt für alle Betriebsratsmitglieder unabhängig von einer etwaigen Freistellung nach § 38 BetrVG. Das Verbot der Minderung des Arbeitsentgelts bedeutet, dass dem Betriebsratsmitglied das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen ist, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte. Das Arbeitsentgelt ist nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen. Die Berechnung der geschuldeten Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip erfordert eine hypothetische Betrachtung, welches Arbeitsentgelt das Betriebsratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte. Zum Arbeitsentgelt iSv. § 37 Abs. 2 BetrVG gehören alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz. Zum Arbeitsentgelt zählen neben der Grundvergütung insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit.

Der Kläger wird auch nicht entgegen § 78 Satz 2 BetrVG in ungerechtfertigter Weise bevorzugt, wenn er Vergütungsbestandteile erhält, die der Abgeltung von Erschwernissen dienen, denen er – im Gegensatz zu den weiterhin in Wechselschicht tätigen Notfallsanitätern – faktisch als Betriebsratsmitglied nicht unterliegt. Ergibt die hypothetische Betrachtung, dass der Kläger ohne die (Teil-)Freistellung – wie von ihm behauptet – seine Arbeitsleistung zu Zeiten erbracht hätte, die die Voraussetzungen der streitgegenständlichen tariflichen Ansprüche erfüllen, entspricht ihre Zahlung den Vorgaben des § 37 Abs. 2 BetrVG. Der Kläger erhielte dann keine über das gesetzliche Maß hinausgehende Zahlung.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
www.redeker.de

RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

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