Der Bundestag hat am 12. April 2024 in zweiter und dritter Lesung dem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) zugestimmt. Das Gesetz ist am 1. November 2024 in Kraft getreten und hat das bisherige „Transsexuellengesetz“ abgelöst. Nunmehr ist es für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen wesentlich einfacher, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen im Personenstandsregister zu ändern. Dies hat auch Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Praxis.
Anpassung der Personalakte
Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, dass seine Personalakten ordnungsgemäß geführt werden und auch die Arbeitnehmerdaten für die Gehaltsabrechnung zutreffend sind. Bei geändertem Geschlecht und geändertem Vornamen ist er nach dem Grundsatz der Datenrichtigkeit (Art. 16 DSGVO) – jedenfalls auf Aufforderung – verpflichtet, die Stammdaten in der Personalakte entsprechend anzupassen. Frühere Eintragungen in der Personalakte, z.B. im Rahmen von Abmahnungen müssen hingegen nicht angepasst werden. Die Änderungen im Personenstandsregister wirken in die Zukunft, nicht für die Vergangenheit. Frühere Dokumente werden daher nicht nachträglich unrichtig.
Rechtswidrige Offenbarung des früheren Geschlechtseintrags
Arbeitgeber dürfen gem. § 13 SBGG die frühere Geschlechtsangabe und den früheren Vornamen ohne Zustimmung der betroffenen Personen nicht ausforschen oder Dritten gegenüber mitteilen.
Dokumente, die zur Vorlage bei Dritten erstellt werden, wie Arbeitszeugnisse, sind entsprechend zu ändern und erneut auszustellen. Andernfalls würde der frühere Geschlechtseintrag rechtswidrig offenbart, was mit einem Bußgeld von bis zu EUR 10.000 bedroht ist (§ 14 SBGG). Die betroffene Person muss die Originaldokumente vorlegen. Diese werden sodann von der Arbeitgeberseite eingezogen, für ungültig erklärt und mit geänderten Daten neu ausgestellt (§ 10 Abs. 2 SBGG). Kann das zu ändernde Dokument nicht vorgelegt werden, muss die betroffene Person an Eides statt versichern, dass sie weder im Besitz des Dokumentes ist noch Kenntnis von dessen Verbleib hat.
Im laufenden Arbeitsverhältnis müssen dienstliche E-Mail-Adressen, Signaturen o.Ä. geändert werden, wenn sie einen Rückschluss auf das Geschlecht zulassen. Hier ist es etwa denkbar, eine Form zu wählen, die den Vornamen verbirgt und somit keine Rückschlüsse auf das Geschlecht ermöglicht.
Entgelttransparenz
Das Selbstbestimmungsgesetz wirkt sich auch auf die Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) aus. § 3 EntgTranspG regelt das Gebot der Entgeltgleichheit, also die Verpflichtung, gleiche und gleichwertige Arbeit unabhängig vom Geschlecht gleich zu be zahlen. Zur Überprüfung der Einhaltung dieses Gebots haben Beschäftigte einen Auskunftsanspruch (§ 10 EntgTranspG). Als Vergleichsgruppe dient dabei immer das jeweils andere Geschlecht, das sich bei einer Änderung des Geschlechtseintrags ebenfalls ändert.
Einer Entgeltdiskriminierung nicht-binärer Personen lässt sich mit dem Mitteln des EntgTranspG derzeit nicht begegnen. Gegenwärtig liegt dem EntgTranspG ein binärer Geschlechterbegriff zugrunde. Es zielt allein auf die Beseitigung des Einkommensgefälles zwischen Männern und Frauen (§ 1 EntgTranspG).
Zugangsrecht zu geschlechtsspezifischen Sanitäreinrichtungen
Mit der Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister steht das Geschlecht im Rechtssinne (weiterhin) fest. Nach der Änderung muss trans* Personen daher der Zugang zu den jeweils geschlechtsspezifischen Einrichtungen wie Umkleideräumen oder Sanitäreinrichtungen gewährt werden. Geschieht dies nicht, wird die trans* Person wegen ihres – nunmehr im Personenstandsregister geänderten – Geschlechts benachteiligt (§§ 7, 1 AGG), was einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch begründen kann (§ 15 Abs. 2 AGG).
Das gilt grundsätzlich nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann, wenn sich andere Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen davon gestört fühlen, in einer geschlechtsbezogenen Einrichtung auf eine trans*Person zu treffen. Allein das subjektive Empfinden anderer Personen kann Benachteiligungen wegen des Geschlechts nicht rechtfertigen.
Ob ein Zugangsanspruch von trans* Personen auch ohne Änderung des Geschlechtseintrags besteht, ist bislang von der Rechtsprechung nicht geklärt.
Um eine Diskriminierung zu vermeiden und den Interessen aller Beteiligten gerecht zu werden, kommen z.B. in Umkleideräumen zusätzlich abgetrennte Bereiche zur Einzelnutzung für jede Person in Betracht.
Die Möglichkeit, den Geschlechtsvorbehalt für Sanitäreinrichtungen gänzlich zu streichen und diese für alle Geschlechter zu öffnen (sog. Unisex-Toilette), widerspricht dem derzeitigen Wortlaut der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und ist daher nicht ratsam. Nach der Verordnung sind Sanitäreinrichtungen und Umkleideräume für Männer und Frauen getrennt einzurichten oder müssen eine getrennte Nutzung ermöglichen (vgl. Anh. 4.1 ArbStättV).