Otto Schmidt Verlag

ArbRB-Blog

Dissens zwischen BGH und BAG: Kündigungsfrist bei Kündigung des Dienstvertrages des Geschäftsführers einer GmbH

avatar  Axel Groeger

Auf die Kündigung des Dienstvertrages des Geschäftsführers einer GmbH, der kein Mehrheitsgesellschafter ist, sind die in § 622 Abs. 1 und 2 BGB geregelten Kündigungsfristen entsprechend anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn er Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG ist und der Anstellungsvertrag mit der Kommanditgesellschaft geschlossen wurde. So hat es der BGH entschieden (BGH vom 5.11.2024 – II ZR 35/23, ZIP 2025, 195) und sich damit gegen das BAG gestellt.

Das BAG entschied erst 2020 genau gegenteilig. Nach Ansicht des BAG ist § 622 BGB – seinem Wortlaut entsprechend – nur auf die Kündigung von Arbeitsverhältnissen anzuwenden. Wegen der für freie Dienstverhältnisse bestehenden Regelung des § 621 BGB fehle es an einer ausfüllungsbedürftigen planwidrigen Regelungslücke, die eine analoge Anwendung der Norm auf die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags zuließe. Mit der seit 1993 geltenden Neufassung des § 622 BGB habe der Gesetzgeber die Anbindung der Kündigungsfristenregelung an Arbeitsverhältnisse betont. Es sei jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass er die Kündigungsfristenregelung für (Fremd-)Geschäftsführer dort verortet sehen wollte. Wäre dies sein Wille gewesen, hätte die Neuregelung Anlass gegeben, die bestehende Rechtsprechung des BGH in eine gesetzliche Regelung zu übernehmen. Dies sei nicht erfolgt. Anhaltspunkte für ein diesbezügliches „Redaktionsversehen“ des Gesetzgebers bestünden nicht (BAG vom 11.6.2020 – 2 AZR 374/19, ArbRB 2020, 264 [Range-Ditz]).

Der BGH liest nicht nur das (reformierte) BGB ganz anders, sondern interpretiert auch den Willen des Gesetzgebers von 1993 abweichend. Der Gesetzgeber habe anlässlich der Reform des Kündigungsfristengesetzes (KündFG) im Jahr 1993 in offenbarer Kenntnis der Rechtsprechung des BGH die Frage der Kündigungsfristen für Organmitglieder weder ausdrücklich angesprochen noch korrigiert. Damit habe er diese Rechtsprechung offensichtlich gebilligt. Das Kündigungsfristengesetz erfolgte in Vollziehung eines Gesetzgebungsauftrags des BVerfG (BVerfG 82, 126, 154 f.) und habe ausschließlich darauf abgezielt, die Fristen bei der ordentlichen Kündigung für Arbeiter und Angestellte sowie die Rechtslage in den alten und den neuen Bundesländern zu vereinheitlichen. Deshalb sei eine bewusste Wertentscheidung des Gesetzgebers, den persönlichen Anwendungsbereich des § 622 BGB ausschließlich auf Arbeitsverhältnisse zu beschränken, von der das BAG ausgeht, nicht erkennbar.

Diese Entscheidung des BGH erfolgte im Rahmen eines obiter dictum, deswegen musste der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht angerufen werden.

Gleichzeitig entschied der BGH, dass die Gesellschafterversammlung dann, wenn nach der Satzung an sich ein anderes Organ für die Abberufung und Kündigung des Anstellungsvertrages mit dem Geschäftsführer zuständig ist, hierüber mit gesellschaftsvertragsändernder Mehrheit unmittelbar auch selbst entscheiden kann. Zwar greift ein Beschluss der Gesellschafter in die nach dem Gesellschaftsvertrag einem anderen Organ zustehenden Befugnisse ein und setzt damit eine Änderung des Gesellschaftsvertrags mit der dafür erforderlichen Mehrheit voraus. Jedoch schließt der BGH aus dem Grundsatz der Verbandssouveränität, dass, wenn im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages Beirats- oder Aufsichtsratskompetenzen generell entzogen oder eingeschränkt werden können, die Gesellschafter erst recht einzelne Angelegenheiten an sich ziehen können (BGH vom 5.11.2024 – II ZR 35/23, ZIP 2025, 195).

RA FAArbR Axel Groeger
www.redeker.de

RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich einloggen um einen Kommentar schreiben zu können.