Bekanntlicherweise hatte das Herrenberg-Urteil des BSG (28.06.2022 – B 12 R 3/20 R) erhebliche Verunsicherung im Hinblick auf die Sozialversicherungspflicht für Lehrtätigkeiten herbeigeführt. Das BSG hatte in einem Einzelfall die Sozialversicherungspflicht einer Musiklehrerin an einer städtischen Musikschule bejaht. Spitzengespräche der Sozialversicherungsträger 2023 und 2024 haben nicht zu einer befriedigenden Lösung für die Praxis geführt. Den Bildungseinrichtungen und Lehrkräfte haben sich seit Jahren an dem bisherigen Leitbild selbständiger, freiberuflicher Tätigkeit orientiert und sind über den Rechtssprechungswandel überrascht, teilweise auch in der wirtschaftlichen Existenz bedroht. Zudem fehlt Planungssicherheit.
Der Deutsche Bundestag hat kurz vor dem Ende seiner Legislaturperiode in dem „Entwurf eines 6. Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR“ (BT-Drucksache 20/14744 v. 29.01.2025) über Nacht durch den Rechtsausschuss (6. Ausschuss des Deutschen Bundestages) eine themenfremde Ergänzung im Sinne eines Artikelgesetzes eingefügt. In § 127 SGB IV wird eine Übergangsregelung für Lehrtätigkeiten, die bis zum 31.12.2026 gilt,  eingeführt.
Die Übergangsregelung für Lehrtätigkeiten lautet:
„§ 127 SGB IV
Übergangsregelung für Lehrtätigkeiten
(1) Stellt ein Versicherungsträger in einem Verfahren zur Feststellung des Erwerbsstatus nach § 7a oder im Rahmen der Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung nach § 28h Absatz 2 oder § 28p Absatz 1 Satz 5 fest, dass bei einer Lehrtätigkeit eine Beschäftigung vorliegt, so tritt Versicherungspflicht aufgrund dieser Beschäftigung erst ab dem 1. Januar 2027 ein, wenn
- die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind und
- die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, zustimmt.
Sofern keine solche Feststellung vorliegt und die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind und die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, gegenüber dem Vertragspartner zustimmt, tritt bis zum 31. Dezember 2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Beschäftigung ein.
(2) Sofern die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind, gelten ab dem … [einsetzen: Tag nach der Verkündung] bis zum 31. Dezember 2026 die betroffenen Personen als Selbständige im Sinne der Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht für selbständig tätige Lehrer nach dem Sechsten Buch. Abweichend von Satz 1 gelten für Personen, bei denen die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt sind und die mit der Lehrtätigkeit nach Absatz 1 die Voraussetzungen des § 1 des Künstlersozialversicherungsgesetzes erfüllen würden, wenn diese als selbständige Tätigkeit ausgeübt würde, die Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz bis zum 31. Dezember 2026 entsprechend.
(3) Sofern die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind, gelten Pflichtbeiträge, die aufgrund der Lehrtätigkeit nach den Vorschriften für selbständig tätige Lehrer nach dem Sechsten Buch vor dem … [einsetzen: Tag nach der Verkündung] entrichtet wurden, als zu Recht entrichtet.
(4) Sofern die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt sind, gilt für die betroffenen Personen, die zum Zeitpunkt der Feststellung nach Absatz 1 Satz 1 oder der Zustimmung nach Absatz 1 Satz 2 nach § 28a des Dritten Buches versichert waren, § 28a des Dritten Buches ab Beginn der Beschäftigung bis zum 31. Dezember 2026 entsprechend.“
Die Regelung in Abs. (1) hat zur Folge, dass eine Versicherungspflicht bei Lehrtätigkeiten als abhängige Beschäftigung erst ab dem 01.01.2027 beginnt, wenn die Vertragsparteien bei „Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbständigen Lehrtätigkeit ausgegangen sind“ und die oder der Beschäftigte zustimmt. Das ist zu dokumentieren.
Bei Lehrtätigkeiten, die die Voraussetzungen des § 1 KSVG erfüllen, bleibt es auch dort bis zum 01.01.2027 bei der selbständigen Künstlersozialversicherung.
Der Gesetzgeber hat an versteckter Stelle diese Regelung geschaffen, weil auch die öffentliche Hand erkannt hatte, dass sie durch landesrechtliche Normen, wie etwa in § 43 Satz 2 und 3 HG NRW, die ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eigener Art und kein Dienstverhältnis begründen, wegen des Vorranges des Bundesrechts nach Art. 31 GG nicht vor der Sozialversicherungspflicht nach § 7 SGB IV der aus ihrer Sicht bislang selbständigen Lehrkräfte geschützt sind.
Für die Praxis von öffentlich-rechtlichen und auch privatrechtlichen Bildungsträgern bringt dies eine Erleichterung im Sinne einer Übergangsmöglichkeit. Diese Bildungsträger können sich nun binnen der nächsten zwei Jahre – Einverständnis des oder der Lehrenden vorausgesetzt – auf die neue Situation einstellen bzw. ihre Systeme ändern.
Die Gesetzesänderung ist sehr zu begrüßen, sie gibt Sicherheit und nimmt zunächst das Risiko von Betriebsprüfungen. Die Bildungsträger sind gehalten, Vereinbarungen möglichst schnell zu schaffen.
Ärgerlich ist nur die späte und für die Praxis überraschende Gestaltung in einem themenfremden Gesetz. Aber das sind wir ja gewohnt vom Gesetzgeber.
Nachdem der Bundesrat am 14.02.2025 in seiner Sitzung (TOP 7, BT Drucksache 35/25) zugestimmt hat, wird das Gesetz wohl kurzfristig ausgefertigt werden. Die Fundstelle im BGBl. werde ich im Blog ergänzen.